Wesentliche Verbesserungen werden aufgeschoben
Dieser Antrag auf erneute 1. Lesung ruft in unserer Fraktion grosses Unverständnis hervor. Und das nicht wegen der vorgebrachten Anliegen der Lehrervereine. Als Interessenvertretung ist es legitim, dass diese Vereine ihre Wünsche und Bedürfnisse artikulieren. Das sehen wir durchaus ein. Was uns irritiert ist vielmehr der Prozess, der in diesem Hohen Hause vonstatten geht.
Die Stellungnahme der Lehrervereine, die am 17. April 2021 lange nach der 1. Lesung an die Landtagsabgeordneten erging, beinhaltet genau die gleichen Punkte, welche bereits bei der Stellungnahme im Rahmen der Vernehmlassung vom 26. Februar 2020, also vor mehr als einem Jahr, von den Lehrervereinen zugestellt wurde. Man kann sich also durchaus fragen, warum sich die Abgeordneten, die bereits in der letzten Legislatur im Landtag waren, nicht bereits im Rahmen der 1. Lesung so stark für die gewerkschaftlichen Anliegen eingesetzt haben. Man hätte all die Forderungen also schon bei der 1. Lesung einbringen können, weil alle Fakten bereits damals transparent dargelegt wurden. Ein Blick in die Protokolle hätte dafür gereicht. Für 2. Lesungen müssen sich auch neue Abgeordnete ins Thema einlesen, um zu verstehen, worum es geht.
Denn Fakt ist: Eintreten auf die Vorlage war mit 25 Stimmen unbestritten, ausser den Voten bei der Eintretensdebatte, hat es während der 1. Lesung lediglich eine einzige Wortmeldung der Abgeordneten Susanne Eberle-Strub bei einem konkreten Artikel gegeben. Dieser und alle Fragen und Themenstellung der Eintretensdebatte wurden im Rahmen der 1. Lesung beantwortet oder in der Stellungnahme für die 2. Lesung dargelegt. Wäre diese Vorlage so umstritten, wie uns nun einige Abgeordnete über die Medien oder auch heute hier glauben machen wollen, hätten wir von der VU bereits in der Eintretensdebatte ein etwas anderes Stimmverhalten erwartet. 15 Abgeordnete des neuen Landtags waren bereits in der letzten Legislatur im Landtag und somit auch bei der Eintretensdebatte und 1. Lesung dabei. Man kann sich zumindest bei den bisherigen 5 FBP-, 2 DPL- und 2 FL-Abgeordneten fragen, warum sie ihre konkreten Änderungsvorschläge nicht in der ersten Lesung bei den Artikeln gezielt eingebracht haben. Denn für genau das gibt es eine 1. Lesung.
Dann noch ein Wort zum Verhalten der DpL: Wenn man das Landtagsprotokoll der 1. Lesung liest, stellt man fest, dass der Abgeordnete Rehak, der jetzt Anträge einbringt, bei der 1. Lesung lediglich auf eine Ausführung des Landtagspräsidenten Bezug genommen hat: Dabei wollte er in Erinnerung rufen, dass das in den Amtsstellen genauso ist. Dort sei auch der Amtsleiter verantwortlich und bewerte schlussendlich eine Person, die im Amt arbeitet. Ansonsten meldete sich niemand von der DpL weder beim Eintreten noch bei den Artikeln zu Wort.
Die VU-Fraktion hält es für zentral wichtig, dass das Bildungssystem in seiner Gesamtheit betrachtet wird. Der Blick für das grosse Ganze darf nicht zu Lasten von Einzelinteressen aufgegeben werden. Die Abgeordneten der VU haben die Protokolle noch einmal durchgewälzt und kommen zum Schluss, dass auf alle aufgeworfenen Fragen aus der 1. Lesung eingegangen wurde.
Es sind 11 neue Abgeordnete im Landtag. Damit kann man natürlich begründen, dass man deshalb nochmals eine 1. Lesung haben möchte. Dennoch scheint es zentral, dass im Sinne der Effizienz und Schlüssigkeit, alle bisherigen Materialien zur Diskussion berücksichtig werden. Wenn der FBP-Fraktionssprecher im «Volksblatt» verlauten lässt, es seien viele Fragen zu einzelnen Artikeln offen, dann scheint es wichtig zu unterscheide, ob Fragen wirklich nicht beantwortet wurden oder es sich um Wünsche handelte, die nicht nach seinen Vorstellungen in die Vorlage übernommen wurden. Ist letzteres der Fall, so kann wie in jedem Gesetzgebungsprozess üblich, ein Abgeordneter seine Verantwortung dahingehend wahrnehmen, als dass er einen gezielten Antrag einbringt.
Aus Sicht der VU-Fraktion ist es nicht die Zeit, das Kind mit dem Bade auszuschütten. Besonders besorgniserregend ist für uns die Tatsache, dass dies auf dem Rücken von Betroffenen ausgetragen wird, wenn wichtige Reformen hinausgeschoben werden sollten.
Wie die meisten hier im Saal hoffentlich wissen, ging es bei der Reform des Lehrerdienstgesetzes auch darum, das Kindergartenpersonal aufzuwerten. Diese Bestrebungen werden mit diesem Antrag verzögert.
Ebenfalls finden wir interessant, dass jene Abgeordnete, die jetzt diese Reform in Zweifel ziehen, noch mit keinem Wort über die Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler sowie deren Eltern gesprochen haben. Denn wenn es um Wünsche, die Anstellungsbedingungen der Lehrpersonen betreffend, geht, muss dabei auch die Planbarkeit und Sicherstellung eines qualitativ hochstehende Bildungssystems, ausgerichtet auf die Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler, im Vordergrund stehen.
Es wird bei der Kritik am neuen Lehrerdienstgesetz ausgeblendet, dass die Vorlage wesentliche Verbesserungen für die Anstellungsbedingungen für Lehrpersonen beinhaltet. So ist zum Beispiel die Verbesserung der Situation mit Kettenverträgen und der Vollanpassung der Löhne des Kindergartenpersonal zu nennen. Mit einer erneuten ersten Lesung würden diese Bestrebungen um mindestens ein Jahr verzögert.
Wenn nun neue Aspekte einfliessen, welche bei der Vernehmlassung bzw. der 1. Lesung kein Thema waren, ist das sehr gefährlich. Denn dafür fehlen die Grundlagen in einem sauberen parlamentarischen Prozess. Unseres Erachtens hat die Regierung hier ihre Hausaufgaben gemacht und es steht sehr viel auf dem Spiel.
Wir möchten es aber nicht unterlassen, den Kritikern einen Vorschlag zum weiteren Vorgehen zu machen. Dem Landtag steht es nämlich frei, laufend Änderungen in Gesetzen vorzunehmen. Das ist die Kernkompetenz des Gesetzgebers. Wenn es also Themen gibt, welche beim Lehrerdienstgesetz nachträglich angepasst werden sollten, würde es die VU-Fraktion begrüssen, hier den parlamentarischen Prozess neu und sauber aufzugleisen. Das würde heissen: Wir machen jetzt die 2. Lesung mit dieser abgestimmten und gut durchdachten Vorlage durch und die Kritiker des Gesetzes werden im Nachgang mittels einem parlamentarischen Vorstoss – das kann eine Motion, eine Initiative oder ein Postulat sein – eine Reform der Reform in den kritischen Punkten anstossen. Wir hätten saubere Voraussetzungen, die offensichtlich neu strittigen Punkte im Gesetz im Landtag mit der neuen Zusammensetzung und fundierten Informationen zu diskutieren, anstatt die Arbeit der Regierung und jene der 25 Abgeordneten, welche vor einigen Monaten einstimmig auf das Gesetz eingetreten sind und kaum Vorbehalte vorgebracht haben, zunichte zu machen.
Besten Dank!