«Authentizität kann man nicht backen»
Parteipräsident Günther Fritz begrüsste die zahlreichen Gäste im Vaduzer-Saal herzlich. Nach einer kurzen Vorstellung des Abendprogramms, des Gastreferenten und der Teilnehmer an der Podiumsdiskussion folgte ein längerer Rückblick auf das – in manchen politischen Lagern turbulente – vergangene Jahr.
Es gibt keine Patentrezepte
Mit verschiedenen Studien und Umfrageresultaten zum politischen Vertrauen leitete Günther Fritz zum Referat von des Medienwissenschaftlers und Philosophen Norbert Bolz über, der sich in seinem kurzen Impulsreferat mit dem Thema «Vertrauen – die wertvollste Ressource der Politik» beschäftigte. Digitalisierung und Globalisierung sind demnach die grossen Megatrends, welche das Konzept von Vertrauen beeinflussen. Gerade die Digitalisierung hat für eine vollständige Veränderung der Öffentlichkeit gesorgt. Das erleichtert es den Menschen, ihre Botschaften auszusenden. «Noch nie war es so leicht, sich zu organisieren und schlagkräftig zu werden», erklärt Bolz. Die Welt werde immer komplexer. Zu jedem Gutachten finde man heute ein Gegengutachten. «Es gibt keine Patentrezepte mehr.» Damit kämen die meisten Menschen nicht klar.
Politik von oben stärkt Populisten
Die Parteien lösen sich zudem von den klassischen grossen Schulen und ideologischen Mustern. Deshalb wird das von vielen als chaotisch wahrgenommen. Davon profitieren Populisten und Aktivisten. Eine «kosmopolitische Elite» präge das Bild dieser Welt in der Öffentlichkeit, weil ihr Zugang zu Medien und Politik einfacher ist. Traditionsparteien seien in Deutschland zum Beispiel bei vielen Themen einer Meinung, weshalb die Menschen Alternativen wählen. Bolz erwähnt dabei die Themen Migration, Klimawandel und EU. Sowohl die Globalisierung als auch die Digitalisierung produzieren Verlierer. Auf diesen Ressentiments surfen Populisten. Schwerlich kommt hinzu, dass in vielen Ländern viele Lebensbereiche von oben diktiert bzw. der Bürger «in die richtige Richtung geschubst werden» soll, damit er das Wünschbare macht. Während sich Populisten dies nützen, stellen die Aktivisten – denen nichts schnell genug gehen kann – grundlegende demokratische Strukturen in Frage. «Wenn man nämlich auf jede Entwicklung mit Panik reagiert, kann man nicht mehr sachlich analysieren», erklärte Bolz.
Das Internet und die Krise der Experten
Die sozialen Medien erledigen ihr Übriges zum Vertrauensverlust in die etablierten Strukturen. «Patienten können sich heute selbst im Internet diagnostizieren und untersuchen lassen. Das ist für die Experten eine Katastrophe – sowohl für Ärzte, Politiker aber auch andere Wissenschaftler», umreisst Bolz das tiefe Misstrauen in der Bevölkerung. Man ist nicht mehr auf Vertrauensleute und Experten angewiesen. So werden auch politische Laien im Internet schnell fündig, wenn sie Tipps für Widerstand und Gleichgesinnte suchen. Die fliessende Durchmischung von Fake News und Tatsachen zwingen die Menschen dazu, sich selbst aus vielen Quellen die eigene Wahrheit zusammenzusuchen. Die Gefahr, in einer Echokammer bzw. Filterblase zu landen, ist dabei sehr gross. Dann hört oder liest man nur noch das, was man gerne hören oder lesen will. «Das kann immun machen gegenüber anderen Ideen», fasst Norbert Bolz zusammen.
Intaktes Systemvertrauen pflegen
Deshalb braucht es, um Vertrauen zu gewinnen, Politiker, die glaubwürdig, ehrlich, offen und sympathisch sind. «Authentizität kann aber nicht geschauspielert werden», erklärt der Medienwissenschaftler, weshalb einige Persönlichkeiten über kurz oder lang Probleme bekommen. Vertrauen sei nämlich die einzige Alternative zu Populisten und Aktivisten. Das Misstrauen richte sich in der zivilisierten westlichen Welt primär gegen die Politiker. «Es werden immer wieder falsche Leute auf Positionen gebracht.» Solange aber das Vertrauen ins System bzw. die Institutionen hoch ist, bestehe Hoffnung. Deshalb sei die Arbeit am Systemvertrauen umso wichtiger.
Transparenz und Partizipation stärken
Im Anschluss diskutierten, moderiert von «Vaterland»-Chefredaktor Patrik Schädler, auf dem Podium Regierungschef-Stellvertreter Daniel Risch, Parteivizepräsidentin und Vorsteherin von Triesen, Daniela Wellenzohn-Erne, Alt-Parteipräsident Heinz Frommelt und die Vaduzer VU-Gemeinderätin Natascha Söldi. «Vertrauen in Parteien und Regierungsämter hat heute wie damals mit den richtigen Personen zu tun», fasst Heinz Frommelt zusammen. Er war in einer Zeit aktiv, in der Liechtenstein und der Finanzplatz im Rahmen der BND-Affäre auf der ganzen Welt um Vertrauen kämpfte. In Liechtenstein selbst sei man noch greifbar. Hier sei man nicht auf Gedeih und Verderb auf soziale Netzwerke angewiesen, um sich zu profilieren. «Bei uns kann man sich noch persönlich austauschen», erklärte Regierungschef-Stellvertreter Daniel Risch. Das bejahte auch Natascha Söldi. Die jüngste Gemeinderätin der VU verzichtet auf aktives Online-Marketing. Sie wolle persönlich überzeugen.
Die VU in Vaduz habe einen Schwerpunkt darauf gelegt, die Kommunikation der Gemeinde gegenüber den Einwohnern zu verbessern. Entscheide sollen zeitnah und transparent kommuniziert werden. «Ausserdem wollen wir Gelegenheiten schaffen, welche die Einwohner animieren, im politischen Alltag aktiv mitzugestalten», erklärt Söldi. Transparenz und Partizipation zu stärken ist auch die Mission von Daniela Wellenzohn-Erne, die das als Vorsteherin in Triesen mit ihren Mitarbeitern umsetzt. Dieser persönliche und direkte Austausch ist für Daniel Risch auch ein Schlüssel zu mehr Vertrauen. «Wir sollten uns nicht auf die Auseinandersetzung über soziale Medien und Zeitungen konzentrieren, sondern unsere Herausforderungen in der direkten Auseinandersetzung angehen.» Diesen Entscheidenden Vorteil Liechtensteins stellte am Ende auch Norbert Bolz im Vergleich zu Deutschland fest. Die Kleinheit hat viele Vorteile, die es zu nützen gilt. Gerade, wenn es um Vertrauen in die Volksparteien geht.